Das sogenannte Crowdinvesting hat sich in den vergangenen Jahren zu einer echten Alternative im Anlagenotstand entwickelt – Null- und Negativzinsen sei Dank. Schwarmfinanzierungen ermöglichen Privatinvestoren ein direktes Investment in Unternehmen oder Immobilien. Im Gegenzug winken attraktive Renditen, allerdings nicht ohne entsprechendes Risiko. Die Investition wird bei solchen Schwarmfinanzierungen auf viele Anlegerinnen und Anleger – die Crowd – aufgeteilt. Jeder Einzelne investiert so eine vergleichbar kleine Summe, aber generiert über die Masse an Investoren einen wichtigen Beitrag für das Unternehmen oder das Projekt.
Bis vor wenigen Jahren war es nur einem erlauchten Kreis an sogenannten Business Angels und Venture-Capital-Gesellschaften vorbehalten, in Start-ups oder Risikokapitalprojekte zu investieren. Dass die Schwarmfinanzierung mittlerweile einem breiten Publikum zugänglich ist, zeigt das Beispiel des genossenschaftlichen Fintechs GenoCrowd. Die Crowdinvesting-Plattform für Immobilieninvestments wurde von der Raiffeisenbank im Hochtaunus* und der Portagon GmbH im Jahr 2020 gegründet und ging im vergangenen Jahr an den Start. Vor kurzem hat GenoCrowd ihr zweites Crowdinvesting-Immobilienprojekt platziert mit einer Verzinsung von 5,5 Prozent. Die Funding-Schwelle wurde bereits sieben Tage nach Start erreicht. Anlegerinnen und Anleger können ab 250 Euro einsteigen, maximal sind 25.000 Euro pro Person als Investition möglich.
Was ist Crowdinvesting eigentlich?
Crowdinvesting ist eine Form des Crowdfundings, wobei die Crowd am Erfolg des Unternehmens oder des Projektes beteiligt wird. Das Crowdinvesting verhält sich dabei am ehesten wie traditionelle Investments in Eigenkapital – die Rendite ist erfolgsabhängig. In der Praxis in Deutschland sind jedoch viele Projekte nicht oder nicht ausschließlich erfolgsabhängig, sondern bieten einen festen Zinssatz an. Eine weitere Option ist die Kombination von einem niedrigen, garantierten Zins und einer erfolgsabhängigen Variablen. Dies kommt auch daher, dass Immobilienprojekte ganz klar den Markt in Deutschland dominieren und hier eine fixe Zinszahlung die Regel ist. Hierbei verschwimmt die Grenze zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting, wobei die Begriffe im deutschsprachigen Raum oft auch synonym verwendet werden.
Übrigens: Das Wort Crowdinvesting ist eine deutsche Wortschöpfung, international wird von “Equity-based Crowdfunding” gesprochen.
Rechtlich gesehen werden Crowdinvesting-Projekte in Deutschland wie Direktinvestments zu den Vermögensanlagen gezählt. Direktinvestments sind beispielsweise Beteiligungen an Frachtschiffen, Immobilien oder erneuerbaren Energien. Vermögensanlagen sind durch das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) geregelt. Sie dürfen in Deutschland nicht ohne einen Verkaufsprospekt öffentlich angeboten werden, das den Regeln und Pflichten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) unterliegt.
Allerdings gibt es beim Crowdinvesting bestimmte Ausnahmeregelungen: So entfällt die Prospektpflicht, wenn der Verkaufspreis aller angebotenen Vermögensanlagen eines Emittenten unter sechs Millionen Euro liegt und der Investitionsbetrag des Privatanlegers 1.000 Euro nicht übersteigt. Die Zeichnungsgrenze erhöht sich auf 10.000 Euro, wenn Anleger über eine Selbstauskunft ein frei verfügbares Vermögen von 100.000 Euro nachweisen. Anleger dürfen außerdem bis zu 25.000 Euro investieren, sofern dies nicht den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens übersteigt. Die Projektanbieter müssen dann dank dieser Ausnahmen nur einen maximal dreiseitigen Bericht, das sogenannte Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB), veröffentlichen.
Kritik von Verbraucherschützern
Die Verbraucherzentrale sieht die Ausnahme der Prospektpflicht kritisch: “Die Befreiung von der Prospektpflicht für Graumarktprodukte, die über Crowdinvesting-Plattformen angeboten werden, untergräbt den Anlegerschutz”, meint der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). “Ohne die wesentlichen Informationen zu einem Unternehmen ist es für Verbraucher gänzlich unmöglich, eine Anlage zu bewerten.”
In ihrem Marktwächter-Team habe die Verbraucherzentrale zudem festgestellt, dass die Informationen, welche die Anbieter auf nur drei Seiten bieten, “oft lückenhaft oder unverständlich und manchmal auch nicht korrekt sind”. Hier gebe es noch viel Verbesserungsbedarf: “Wenn man von jemandem Geld einsammelt und verspricht, es vernünftig zu investieren, dann sollte man sich auch an die Spielregeln halten. Das gilt auch für Crowdinvesting-Plattformen und -Projekte.”
In welchen Bereichen wird Crowdinvesting angeboten?
Crowdinvesting ist in nahezu allen Bereichen möglich. Egal, ob es um erneuerbare Energien oder Immobilien geht – Crowdinvesting ist gerade für junge Unternehmen ein sehr attraktives Instrument zur Finanzierung von Projekten.
Crowdfunding ist als alternatives sowie als ergänzendes Finanzierungsinstrument einsetzbar. Ein Crowdfunding-Projekt muss dabei nicht immer als Alternative zum Bankkredit oder anderen Finanzierungsinstrumenten gesehen werden, sondern kann diesen ganz klar auch ergänzen. Banken haben einen ganz anderen Risikoappetit als Investoren. Aus diesem Grund lassen sich auch Bankkredite und Crowdfundings nicht ganz so einfach vergleichen. Ein Investment in Start-ups bieten Banken beispielsweise grundsätzlich nicht, da dies schlicht nicht deren Geschäftsmodell ist. Dies gilt zumindest dann, sofern man von speziellen öffentlich geförderten Programmen absieht. Crowdinvesting wird daher bevorzugt in folgenden Bereichen eingesetzt:
- Start-ups
- (kleinere) mittelständische Unternehmen
- erneuerbare Energien
- Immobilien
- Medizintechnik und -produkte, aber auch Medikamente
- künstlerische Projekte
- Film und Fotografie
- Film- und Musikindustrie
Hierzulande stellt dabei das Crowdfunding bei Immobilienprojekten volumenmäßig den Löwenanteil dar, dies allein schon aufgrund der finanziellen Größe von Immobilieninvestments. Die genossenschaftliche GenoCrowd etwa hat aktuell ein Projekt für 20 Wohneinheiten inklusive 29 Tiefgaragenstellplätzen in der Stadt Willich nahe Düsseldorf ausgeschrieben. Das Finanzierungsvolumen beträgt insgesamt knapp 7,4 Millionen Euro, wovon 6,8 Millionen Euro bereits über Bankenkredite zugesagt sind und 400.000 Euro über die Crowd eingesammelt werden. 5,5 Prozent erhalten die Investoren dafür pro Jahr als Rendite. Besser als auf dem Sparbuch ist dies allemal, auch wenn die Risiken nicht von der Hand zu weisen sind. Allerdings hat GenoCrowd mit der Raiffeisenbank im Hochtaunus* und der Portagon GmbH zwei starke und erfahrene Partner an der Seite.
Für wen eignet sich Crowdinvesting?
Crowdinvesting eignet sich prinzipiell für alle Menschen, die gerne investieren möchten und dabei ein größeres Risiko nicht scheuen. Generell stellt jede Investition am Finanzmarkt ein Risiko dar, bei Crowdfunding-Projekten ist dieses jedoch erheblich höher, wie wir in unserem Ratgeber “Crowdinvesting und das Thema Sicherheit” ausführlich erläutern. Trotzdem nutzen immer mehr Privatanleger Crowdinvesting bereits heute als ergänzende Alternative zum klassischen Aktieninvestment und erweitern so ihren Portfolio-Risiko-Mix.
Häufig nutzen beispielsweise Start-ups ein Crowdfunding, um sich das benötigte Startkapital zu beschaffen. Die bekannte Crowdinvesting-Plattform Companisto hat sich genau auf solche Start-up-Finanzierungen spezialisiert und bringt Unternehmen und Investoren zusammen. Je nach Projekt weist Companisto* angestrebte Renditen von bis zu 70 Prozent pro Jahr aus. Das wäre sicherlich eine traumhafte Rendite für alle Investoren. Allerdings sollten Anleger berücksichtigen, dass der Erfolg nicht nur von Faktoren abhängt, die das jeweilige Unternehmen beeinflussen kann. Verschiedene Studien zeigen, dass 70 bis 90 Prozent der mit Venture Capital finanzierten Start-ups früher oder später scheitern. Das bedeutet im Umkehrschluss: Nur jedes zehnte Start-up ist von Erfolg gekrönt. Daher ist eine breite Streuung auf mehrere Projekte umso wichtiger.
Eine weitere beliebte Form des Crowdinvestings ist die bereits erwähnte Anlage in Immobilienprojekten. Da jeder einzelne Anleger nur eine vergleichsweise kleine Summe investiert, teilen sich viele Investoren das Risiko. So können sich auch Kleinsparer an großen Immobilienprojekten beteiligen, ähnlich wie ein Direktinvestment. Im Gegensatz zu den sonst üblichen börsennotierten Immobiliengesellschaften (REITs) und Finanzprodukten im Immobilienbereich können Crowdinvesting-Anleger gezielt in ein Projekt investieren oder sogar ins Grundbuch eingetragen werden. Das Risiko ist dabei jedoch ungleich höher als bei einer Anlage in Immobilienaktien oder Immobilienfonds. Man sollte sich der Risiken eines Totalverlusts beim Crowdinvesting auf jeden Fall bewusst sein.
Das Crowdinvesting sollte daher immer nur eine Ergänzung zu klassischen Anlagen wie Wertpapieren sein und nur einen geringen Teil des Gesamtvermögens ausmachen. Besonders wichtig: Informieren Sie sich hinreichend über das Projekt, in das Sie investieren wollen, und studieren Sie das Verkaufsprospekt beziehungsweise Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB). Wie viel Risiko jeder Anleger tragen möchte, muss jeder für sich selbst abwägen. Dabei gilt: Je näher das Rentenalter kommt, desto geringer sollte das risikoreiche Investment sein.